Ich habe eine zwar kalte, aber sonst ganz angenehme Nacht im Zelt verbracht und gut geschlafen. Am Morgen kommt dann bald die Sonne auf den Platz und trocknet das (unvermeidliche) Kondenswasser von den Innenseiten meines Mini-Zeltes.
Meine etwas verschwitzte Radkleidung hänge ich abends immer auf das Rad, sie wird dann durch den Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht klitschnass und wirkt nach dem trocknen morgens in der Sonne wie frisch gewaschen (und riecht auch so!).
Das Frühstück fällt bescheiden aus, meine Vorräte gehen zu Ende, aber da ich ja die zweihundert Höhenmeter wieder zurück hinauf zum Radweg muss, möchte ich sowieso nicht zu viel essen, mit vollem Magen fährt es sich schwerer steil bergauf 😊. Es wird schon wieder ziemlich heiss in der Sonne, ich komme auch erst gegen halbzwölf vom Platz weg, weil ich mit dem Zelt abbauen und alles einpacken nicht so schnell bin und etwas herumtrödle. Ausserdem habe ich lange mit einer netten Camperin geplaudert, die mich angesprochen hat, ob ich denn wirklich so ganz allein unterwegs bin. Ja, warum nicht? Es hat auch Vorteile 😊. Und „allein“ fühle ich mich unterwegs eigentlich nicht, es gibt immer wieder nette Kontakte, wie jetzt zum Beispiel.
Zum Glück muss ich nicht wieder über den steilen Schotterberg, sondern kann auf der asphaltierten Autostraße hinauffahren und komme knapp hinter Cortina wieder auf den Radweg, der hier angenehmerweise asphaltiert ist (das wäre auch gestern der einfachere Weg gewesen!)
Meine Freude über den asphaltierten Weg war aber verfrüht, bald nach Cortina wird er wieder zum Schotterweg. Es geht runter und rauf, bei Zuel muss ich überhaupt ein Stück auf der Straße bergab fahren. Zuerst bin ich etwas verunsichert, ob das auch stimmt, aber dann rauscht eine Gruppe Radler an mir vorbei und nimmt auch die – leider stark befahrene – Straße, also fahr ich ihnen nach. Unten angekommen sehe ich dann, wie sie oben durch einen Wald teilweise wieder bergan in die Gegenrichtung schieben, ich spare mir den Umweg, verlasse die Straße und schieb mein Rad über eine steile Abkürzung direkt zum Weg hinauf. Oben treffe ich wieder mit der Gruppe – eine geführte Tour mit Radlern mittleren Alters aus Deutschland, die von einem Bus begleitet werden – zusammen. Ich komme mit dem Leiter der Gruppe ins Gespräch und frage, warum die Teilnehmer, die fast alle mit E-Bikes ausgestattet sind, trotzdem die Räder bergauf schieben? Der Leiter zuckt die Achseln und meint, die meisten kennen sich nicht richtig damit aus, schalten falsch zu und haben bald einen leeren Akku. Na, das wäre nichts für mich! Schieben kann ich auch ohne E-Bike 😂! Und das sogar leichter, denn ein E-Bike ist ja auch ganz schön schwer! Ich werde dieser Gruppe im Lauf des heutigen Tages noch öfter begegnen, – schneller sind sie jedenfalls nicht als ich mit meinem Siebengang-Rad 😊!
Bei Acquabona ist der Weg durch eine große Baustelle teilweise unterbrochen (Murenabgang? Wildbachverbauung?), es gibt nur eine recht unangenehme Not-Piste mit losem, tiefem und scharfkantigen Schotter hier durch, teils sehr steil hinunter und hinauf, ich sehe etliche Glasscherben (vermutlich von Bierflaschen der Bauarbeiter) im Schotter glitzern und schiebe das Rad vorsichtig drüber. Später, als ich auf einer Bank im Wald eine kurze Rast mache, spricht mich ein nachkommendes junges Pärchen an, die Frau hat sich dort ziemlich gefürchtet „extremely terrible!“, ich kann das gut verstehen. Später treffe ich wieder auf die deutsche Radlergruppe, sie haben dieses Teilstück – weil bereits bekannt – auf der Staatsstraße umfahren. Sehr schlau!
Hinter der neuen Bachbrücke geht es wieder etwas steiler hinauf, hier treffe ich wieder auf die Radlergruppe. Eine Frau mittleren Alters und etwas mollig (die meist als Letzte der Gruppe hintennach gestrampelt ist) tut sich in der Hitze sichtlich schwer mit dem bergauffahren, sie ringt nach Luft und macht den Eindruck, als würde sie gleich kollabieren. Später sehe ich oben bei der Straße dass man sie in den Begleitbus bringt. Sich selbst zu überfordern weil man mit der Gruppe mithalten will (oder muß?) ist nicht ungefährlich. Ich bin froh, dass ich jederzeit Pause machen kann oder notfalls auch absteigen und mein Rad schieben, wenns zu steil wird. Ich hab ja Zeit.
Über Pieve di Cadore, der Geburtsstadt des berühmten Malers Tizian, und Calalzo di Cadore geht es Richtung Domegge di Cadore und dann hinunter zum Stausee.
Der Stausee liegt auf knapp 900 m, über eine Brücke geht es ans andere Ufer zum sehr ruhig gelegenen Campingplatz. Es ist fünf Uhr nachmittags, die Rezeption ist nicht besetzt, es sieht alles etwas leer und verlassen aus. Nach der Rezeption führt eine kleine Straße hinauf zum eigentlichen Platz, der größere und offensichtlich neuere Teil mit einer großen und flachen Wiese unter Bäumen ist schon abgesperrt, nur ein kleinerer Teil mit Dauercampern und einem kleinen Sanitärgebäude ist noch zugänglich. Ausser zwei älteren Dauercampern ist niemand zu sehen.
Ich baue mein Zelt auf, später kommt noch ein deutsches Pärchen mit Auto an, da fühle ich mich nicht mehr ganz so verlassen auf dem Platz. Sie erzählen auch, dass die Rezeption jetzt schon besetzt ist. Ich gehe hinunter, um mich anzumelden und mir einen Hammer zu borgen, weil der Boden sehr hart ist und ich die Heringe nur mit meiner Handkraft nicht richtig reinbekomme. Nein, Gebäck fürs Frühstück gibt es morgens leider keines, auch sonst kann man am Platz nichts einkaufen. Ich müsste wieder hinauf auf den Berg und zurück in den Ort. Das reizt mich gar nicht, da hungere ich lieber 😋. Aber abends wird die Pizzeria neben dem Campingplatz geöffnet, da gibt es dann Pizza. Na, das ist ja schon etwas, notfalls gibts halt kalte Pizza zum Frühstück 😀! Zurück beim Zelt sehe ich, dass inzwischen noch ein Pärchen mit vollbepackten Rädern angekommen ist. Ich spreche sie an und erfahre, dass sie aus dem Norden Deutschlands kommen und den München-Venedig Radweg fahren. Sehr spannend. Abends treffen wir uns dann beim Essen in der Pizzeria und erzählen uns gegenseitig unsere Erlebnisse. Sie wollen auch morgen auf den gleichen Campingplatz wie ich am Lago di Santa Croce, also werden wir uns am Ende des Tages wieder treffen.
3.Etappe: Vom Lago di Cadore durch das Tal der Piave zum Lago di Santa Croce