Mit Rad und Zelt von Toblach (Südtirol) bis zum Lago di Santa Croce (Belluno) 11.9.-14.9.2018

1. Etappe: Von Toblach bis Cortina d’Ampezzo

Der „Lange Weg der Dolomiten“, der auf der alten Bahntrasse von Toblach (Dobbiacco) in Südtirol bis Calalzo di Cadore im Piavetal verläuft, steht schon lange auf meiner Wunschliste. Am Ende des Bahntrassenweges möchte ich dann noch durch das Tal der Piave bis zum Lago di Santa Croce weiterfahren (Teil des München-Venedig Radweges).

Aber irgendwie will sich das seit zwei Jahren geplante Projekt zwei Jahre lang nicht so richtig verwirklichen lassen. Mal passt das Wetter nicht, dann wieder sind (notwendige) Bahnverbindungen nicht verfügbar, zuletzt gibt auch noch mein Uralt-Fahrrad den Geist auf…

Mitte September ist es aber dann heuer endlich so weit: Ich habe ein neues Trekkingrad mit hydraulischen Bremsen (das mein heissgeliebtes, aber leider in die Jahre gekommene, Puch-Clubman-Rad mit der Dreigangschaltung, ersetzt), das Bergwetter ist für die nächsten drei Tage traumhaft mit guter Sicht und ohne Gewittergefahr angesagt, also dann nichts wie los.

Da ich gerne unabhängig bin und mir die spontane Suche nach einem (günstigen) Einzelzimmer zu mühsam ist, habe ich mich aufs campieren verlegt, was sich als sehr praktisch erwiesen hat. Also packe ich mein Winzigzelt samt kuscheligem Schlafsack in die eine Radtasche, in die andere kommt die Reservekleidung (diesmal mit wärmerer Jacke und Hose wegen der tieferen Nachttemperatur in den Bergen) und den sonstigen wichtigsten Sachen, die man zum überleben unterwegs braucht 😄. Das Gewicht und auch die Größendimensionen sind so gering wie möglich gehalten, was sich erstens aus der kleinen Größe meiner Packtaschen und zweitens aus dem Umstand, dass ich mit dem Rad mit der Siebengang-Nabenschaltung bergauf nicht viel Gewicht bewegen kann (und will), ergibt. Der notwendige Proviant und meine persönlichen Dinge, wie Reisepass, Fotoapparat und Geldtasche, kommen in einen kleinen Rücksack, der auf die am Gepäckträger befestigte Iosmatte geschnallt wird und den ich jederzeit leicht abnehmen und mitnehmen kann.

Das hat sich alles bereits bewährt, trotzdem habe ich diesmal ein etwas komisches Gefühl, das ich mir nicht ganz erklären kann. Eigentlich sollte alles passen, aber irgendwie fühle ich mich dieses Mal unsicherer als sonst und schlafe auch schlecht von der Nacht vor der Abreise. Aber es wird schon alles gutgehen, muss ja nicht immer perfekt sein.

Mit der Bahn geht es also morgens von Villach nach Toblach, wo sich bereits am Bahnhof die erste Hürde zeigt, weil ich am Ticketautomaten  keine Fahrkarte nach Toblach lösen kann (liegt bereits auf italienischem Gebiet). Ich zahle also vorerst bis Lienz/Osttirol, wo ich sowieso umsteigen muss. Später im Zug stellt sich heraus, dass ich nicht die Einzige bin, die am Ticketautomaten gescheitert ist (es gibt noch einige Radler, die bis Toblach wollen), aber der Schaffner meint, wir hätten genug Zeitreserve beim umsteigen um uns die Fahrkarten zu besorgen und der Anschlußzug würde auch am gleichen  Bahnsteig abfahren. Das erweist sich allerdings als Falschinformation, der (etwas zeitraubende) Auf- und Abstieg über die vielen Stufen zum richtigen Bahnsteig bleibt mir nicht erspart. Vor dem Kassenschalter ist dann eine lange Warteschlange (weil der Ticketautomat kaputt ist), als ich endlich dran bin, erfahre ich, dass ich nur ein Ticket bis Innichen lösen kann, das auf italienisch „San Candido“ heisst und wenn ich diese Bezeichnung am Automaten in Villach eingegeben hätte, hätte ich es gleich kaufen können (und mir so etliches Geld erspart, denn nun muss ich für diese Teilstrecke mehr zahlen und auch ein neues, viel teureres Radticket dazukaufen). Ärgerlich, aber was solls. Als mir der Beamte endlich das Ticket rüberschiebt, sagt er bedauernd „Aber jetzt fährt Ihnen gerade Ihr Zug davon!“  Ich schieße wie ein Kugelblitz hinaus auf den Bahnsteig, der abfahrende Zug rollt gemächlich an mir vorüber, zurück bleibt nur mein einsames Rad am Bahnsteig. Und der nächste Zug fährt erst in zwei Stunden. Na, das fängt ja gut an.

Auch wenn mir die Zwangspause meine ganze Planung durcheinanderbringt, beschließe ich das Beste aus der Situation zu machen und bummle mal gemütlich durch Lienz.

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Schloss Limburg in Lienz (heute Sitz des Rathauses)

Wieder zurück am Bahnhof sehe ich, dass mein Zug schon am Bahnsteig bereitsteht und obwohl noch eine dreiviertel Stunde Zeit bis zur Abfahrt ist, setze ich mich schon hinein. Diesmal fährt der Zug garantiert nicht ohne mich ab! 😊

Immer mehr Radler steigen zu und ihren Diskussionen kann ich entnehmen, dass ich nicht die Einzige war, die Schwierigkeiten beim Ticketkauf hatte. Das tröstet mich etwas.

Knapp nach drei Uhr nachmittags komme ich endlich in Toblach an. Der Radweg ist leicht zu finden und gut beschildert und bald bin ich auch schon am Toblachersee. An seinem schönen Ufer mache ich Rast und ziehe die kurze Radlerhose an, da es in der Sonne jetzt ziemlich heiß geworden ist.

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Am Toblachersee

Lange halte ich mich aber nicht an dem schönen See auf, ich muss weiter, meine großzügig geplanten Schau- und Fotopausen sind wegen der Zugmisere ziemlich geschrumpft.

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Vom Toblachersee weiter nach Cortina d’Ampezzo

Von hier aus führt der geschotterte Radweg auf der alten Bahntrasse der ehemaligen Dolomitenbahn (eine Schmalspurbahn, die bei ihrer Errichtung zur Versorgung im ersten Weltkrieg diente) immer leicht bergauf bis zum Passo Cimabanche (Im Gemärk), 1530 m,  der die Grenze  zwischen Südtirol und der Provinz Belluno darstellt. Die knapp 350 Höhenmeter zwischen Toblach und dem Pass verteilen sich auf rund 16 km, das sollte auch mit meinem Rad samt Gepäck gut machbar sein.

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Durch das schöne Höhlensteintal
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Ein sehr idyllisches Tal
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Blick zur Cristallo-Gruppe
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Der Drei-Zinnen-Blick!

Hinter einer Biegung kommen dann plötzlich die Drei Zinnen ins Blickfeld, – ein imposanter Anblick! Auf die Größte der Drei Zinnen bin ich schon vor knapp einem halben Jahrhundert raufgeklettert!

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Juhu! Ich hab Traumsicht auf die drei Zinnen!

Hier ist ziemlich viel los, von der nahen Straße und dem Gasthaus kommen viele Leute zum „Zinnen-Schaun“. Man drückt sich gegenseitig  die Fotoapparate in die Hand und ich mach das auch.

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Ein Selfie muss aber schon auch sein 😎!

Glücklich fahre ich weiter und erreiche bald den schön gelegenen Dürrensee mit dem Blick auf den Monte Cristallo. Von meiner – leider schon verstorbenen – Mutter, die im Alter zu malen begonnen hat, habe ich ein schönes, kleines Ölgemälde mit dieser Ansicht des Dürrensees auf meinem Klavier stehen.  Nicht zuletzt deshalb wollte ich dort unbedingt einmal hin, da ich es dauernd vor Augen habe. Und ja, es sieht genauso aus wie auf meinem Bild!

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Dürrensee mit der Cristallogruppe
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An den ausgewaschenen Ufern des Rienz-Flusses bei Schluderbach, hier kann man die Naturgewalten gut erkennen
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Die Schatten werden länger, der Tag ist schon sehr fortgeschritten

Nach dem See geht es noch eine Weile gemächlich geradeaus dahin, dann wendet sich der Weg aber  nach rechts und steigt etwas steiler die letzten 100 Höhenmeter zur Passhöhe hinauf. Der Weg wird teilweise etwas schlechter und der Schotter oft sehr tief, besonders bei Durchquerung von tief eingeschnittenen Bachbetten steige ich lieber ab und schiebe ein Stückchen (nachdem ich gesehen habe, wie es einen mir entgegen kommenden rasanten Mountainbiker schleudert und er beinahe stürzt). Einmal zieht es mir trotzdem im groben und tiefen Schotter das Rad nach der Seite weg und ich fall samt Rad und Gepäck um. Das ist mit dem neuen Rad nicht das erste Mal, gibt halt wieder mal ein paar blaue Flecken 😉, da kann man nichts machen (ist mir mit meinem alten Rad nie passiert, das fuhr auch mit Gepäck wesentlicher stabiler, vielleicht lag’s am schweren Stahlrahmen?).  Aber weit kann es ja jetzt nicht mehr sein, ich rede meinem Rad gut zu und sag, das schaffen wir schon 😉!

Und dann hab ich es geschafft und die Passhöhe erreicht! In der kleinen Imbissstube am Pass fülle ich meinen Wasservorrat auf, will mich aber nicht zu lange aufhalten, ich hab ja erst die Hälfte des Weges geschafft und die Tage sind Mitte September schon recht kurz.

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Das Hüttenambiente sieht nicht besonders einladend aus, aber die freundliche junge Wirtin scheint sich hier über jeden Gast zu freuen!
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Altes Zollhaus am Pass
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Das alte Bahnhäuschen dient nun Wohnzwecken

Ich hatte irgendwie im Hinterkopf, dass ab dem Pass der Radweg asphaltiert sei und hab mich schon aufs angenehme bergabfahren gefreut. Aber das war ein Irrtum (die Asphaltierung beginnt erst bei Cortina und ist selbst da noch nicht ganz durchgehend), der Schotter ist, vor allem wenn es steiler bergab geht, eher mit Vorsicht zu befahren.

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Vorbei am kleinen, idyllischen Schwarzsee (Lago Nero)

Hier wird es jetzt immer einsamer, seit der Passhöhe habe ich kaum mehr Radfahrer getroffen (bis Cortina kann ich sie dann an einer Hand abzählen). Die Sonne ist bereits untergegangen, es wird langsam dämmerig. Der Radweg führt meist am steilen Waldhang entlang, tief unter mir rauscht der Bach. Ich möchte hier nicht unbedingt runterfallen, – wahrscheinlich gibts da auch keinen Handyempfang, da findet  mich so leicht niemand mehr. Und auf eine kleine Notiz in der Regionalzeitung „Ältere Frau am Dolomitenradweg vermisst“ kann ich auch verzichten 😉. Also schön aufpassen.

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Die Kirche von San Nicoló  aus dem 13. Jahrhundert
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Der verfallene, alte Bahnhof von Ospitale wirkt im vergehenden Tageslicht auch etwas gespenstisch  😶
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Auf einer Lichtung wird es kurzfristig noch einmal heller und ich sehe, dass ich am richtigen Weg bin
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Hinein ins finstere Tunnel
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Jetzt wird das Tal wieder etwas lichter und breiter und ich bin froh dem etwas düsteren Wald entkommen zu sein, der Abhang zum Fluß befindet sich jetzt rechts von mir, letzte Sonnenstrahlen  fallen auf die Ampezzaner Dolomiten
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Der alte Bahnhof von Fiammes, einem Vorort von Cortina d’Ampezzo
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In Cortina d’Ampezzo angekommen
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Letztes Licht auf den Bergen, während es im Tal schon finster wird.

Endlich erreiche ich Cortina (und damit den Lärm und Verkehrstrubel) und mache mich auf die Suche nach den Campingplätzen. Drei davon liegen – laut Karte – alle unten im Tal am Fluss Boite, etwas 200 Höhenmeter tiefer als der Ort. Leider gibt es etliche kleine Straßen hinunter, da die Campings nicht angeschrieben sind, weiss ich nicht, welche die Richtige ist. Ich versuche mal eine davon, es geht steil hinunter, ich frage sicherheitshalber eine Frau mit Hund ob es hier zum Campingplatz geht. Sie nickt begeistert und überschüttet mich mit einem italienischen Wortschwall. Ich höre heraus, dass ich die Straße weiterfahren soll und dort wo sie endet, dann nach rechts weiter. Aber rechts steht nur ein einsames Haus und geradeaus weiter führt ein enorm steiler schottriger Weg hinauf. Das kann es doch nicht sein? Als ich wieder umdrehen will (vielleicht haben wir uns ja mißverstanden?), kommt sie schon mit dem Hund nach und deutet auf den steilen Weg, ja, da gehts weiter, da komme ich zu den Campingplätzen. Ich schiebe also das Rad durch den tiefen Schotter steil bergan, es rutscht immer wieder seitwärts weg auf den groben Steinen, das hat mir grade noch zum Abschluss gefehlt! Oben am Berg angekommen geht es drüben eben so steil hinunter, und zwar so steil, dass ich mich erst gar nicht aufs Rad setze, sondern es auch hinunter durch den Schotter schiebe. Mittlerweile wird es finster, für die ersten zwei Campingplätze am Fluß müsste ich dann wieder eine Straße (bergauf!) zurückfahren, das will ich aber nicht, also fahre ich zum dritten und letzten Platz weiter. Als ich ankomme, ist es bereits stockdunkel.

Der Platz ist groß und weitläufig und nicht sehr stark belegt. Ich suche mir ein Plätzchen unter großen Tannen bei einer kleinen Steinbank und baue schnell mein kleines Zelt auf.  Auf diesem Campingplatz gibt es leider keine Möglichkeit, sich etwas zu essen zu kaufen, also verzehre ich – auf der Steinbank sitzend – die Reste von meinem Frühstück. Mit einem hartgekochten Ei, den Tomaten und Brot werde ich auch satt. Bin vom letzten Aufstieg eh ziemlich müde und will nur mehr schlafen.

Nachts wird es ziemlich kalt, ich stopfe mir noch zusätzlich meine dünne Daunenjacke oben in den Schlafsack, von unten wärmt mich die komfortable Liegematte, so ist es ganz kuschelig und ich schlafe recht gut.

 

2.Etappe: Von Cortina d’Ampezzo zum Lago di Cadore

3.Etappe: Vom Lago di Cadore durch das Tal der Piave zum Lago di Santa Croce